Donnerstag, 27. Januar 2011

Sehnsucht-Destination {3} «École Veterinaire d’Anderlecht»




Ein verlassenes, dem nagenden Zahn der Zeit und der Zerstörungswut flachgeistiger Vandalen ausgesetztes Gebäude als Destination der Sehnsucht zu wählen, hat einen grossen Nachteil: Man weiss nie, ob das Objekt der Begierde überhaupt noch existiert. Ich kann mich gut an einen aufregenden Abenteuer-Spaziergang erinnern, auf dem ich als kleiner Knirps mit meiner Mutter die Ruinen einer ehemaligen Eisenhütte erforscht habe. Damals muss sich - ganz im Stillen - ein Virus in mir festgesetzt haben, der vor einem Jahr plötzlich und mit unabwendbarer Heftigkeit in mir wieder ausgebrochen ist. Seither verbindet mich mit einsam verrottender Architektur eine beinahe schon erotische Beziehung. Dafür verantwortlich sind aussergewöhnliche Bauten wie die hier vorgestellte «École Veterinaire» im belgischen Anderlecht. 

Der zwischen 1903 und 1910 im flämischen Neorenaissance-Stil erbaute, 19 Gebäude umfassende Komplex, steht seit dem Wegzug der Schule 1990 leer und wird nun schrittweise modernisiert und zu Eigentumswohnungen umgenutzt. Im weitläufigen Keller des einzigen noch nicht renovierten Baues, begegnet der heimliche Besucher einem bizarren Kabinett aus langsam verwesenden Tierpräparaten und fleckig-klebrigen medizinischen Gerätschaften. Eine unheilvolle Erinnerung an die vergangene, wissenschaftliche Akribie und Passion die an diesem Institut gewirkt haben muss und ein Paradies für meine Fantasie.

Mehr über die «École Veterinaire d’Anderlecht» und weitere wundervolle Objekte 
für eine «Urban Exploration» gibt es bei «Past Glory» zu entdecken.
Bilder © by JAhNoszh / www.pastglory.nl


Mittwoch, 26. Januar 2011

Mouthwatering


Nicht jede beliebige Flasche die ihren Weg aus dem Vèneto in die Weinregale findet und die Bezeichnung «Amarone» trägt, verdient es mit ihrem Inhalt meinen Gaumen zu schmeicheln. Dafür wurde mit dem ehemals hervorragenden Ruf dieses so einzigartig hergestellten Bettkantenweines zu viel Schindluder getrieben und Plörre für die Massen produziert. Namen wie Allegrini, Bolla und Masi sind in meiner Erinnerung fest mit dem gerne und oft heimlich besuchten Weinkeller meines Vaters verbunden. Später gesellte sich ein Romano dal Forno zur illustren Reihe meiner absoluten Lieblingsweine. So ist es immer ein Gefühl der Heimkehr, wenn nach längerer Abstinenz wieder einmal ein ehrlich gemachter, wunderschöner Amarone entkorkt werden kann. Nach einer Flasche «Clos des Ursules» 1999 und einem «Montrose» 1999, beglückte uns gestern ein «Speri» mit dem ausgezeichneten Jahrgang 1997. Begleitet von 1'350 g Rind und Schwein, etwas Parisette und vier Törtchen aus dem Hause «Paul», war dies - wen wundert es - ein sehr reichhaltiger und aufmunternder Abend zusammen mit unserem Gast USA.

Montag, 24. Januar 2011

Besuch im anatomischen Auditorium.


Um sich vom unvorteilhaften Konterfei im Coiffeur-Spiegel abzulenken und dem repetitiven Smalltalk der Friseurin zu entziehen, bleibt nur der beherzte Griff in die aufgelegten Magazine des Salons. Da ich auf Celebrity-Heftchen chronisch mit leichter Übelkeit reagiere, in etlichen Jahrgängen der Cosmopolitan alles über den weiblichen Orgasmus gelesen und sämtliche Heimdekor-Publikationen bereits abonniert habe, bietet sich - in letzter Instanz - nur noch die Vogue an. Nach dem Kampf durch die üblichen zwei Dutzend Inserate-Seiten hat man vielleicht das Glück, für einen Augenblick aus dem tristen Haarschneide-Alltag zu schlüpfen und sich in einer visuellen Wunderwelt wieder zu finden.

Fashion-Fotografie hat mich schon oft fasziniert. Sobald die anorektisch-blutleeren Mannequins von den Laufstegen taumeln und durch einen begnadeten Fotografen unter die Fittiche genommen werden, ertrage auch ich die abwegigsten Couture-Kreationen. Manche «Meister am Auslöser» begeistern geradezu und verdienen es - in loser Folge - hier eine kleine Bühne zu finden. Als erster tritt Ruven Afanador auf. Model und Kleidung sind sekundär. Die Kulisse hingegen, könnte meinem geistigen Bilderbuch entsprungen sein.



Sonntag, 23. Januar 2011

Sehnsucht-Destination {2} «Comptoir Général»


Nun, Paris hat nie wirklich zu meinen Traumstädten gezählt. Ich konnte auf den streng angelegten Boulevards, zwischen den pompösen Repräsentativbauten und inmitten der etwas fantasielosen Parkanlagen einfach nicht die vielbeschworene Atmosphäre der «Stadt der Liebe» verspüren. Inzwischen musste ich mein Urteil revidieren und feststellen, dass sich – mit etwas gutem Willen – in jeder Metropole Häuser, Ecken und Strassenzüge entdecken lassen, die durch ihren Charme meine aufrichtige Liebe verdient haben. In Paris wäre eine meiner «Destinationen der Sehnsucht» das «Comptoir Général» – eine eigenartige aber durchaus poetische Mischung aus Wunderkammer, Tagungsstätte und Konzert-Café. Die ehemaligen Fabrikräumlichkeiten wurden durch die heutigen Besitzer umsichtig und mit dem nötigen Feingefühl für Patina «konserviert». Mit dem adäquaten Vintage-Industriemobiliar und einer beglückenden Prise Mut zum Kuriosen versehen, dürfte dieser Ort auf einer meiner nächsten Reisen unwiderstehlich für mich sein.

Die abgebildete Wunderkammer wurde von Maissa Toulet geschaffen.
Das «Comptoir Général» befindet sich am Quai de Jemappes (Paris 10).
Bilder (©) Comptoir Général, Liza Corbett und La Châtaigne.

Montag, 10. Januar 2011

Nasse Füsse, Champagner-Freuden und «Aus die Maus».


Bluebells Wunsch nach Bewegung an der frischen Luft, endete mitten im Dämmerlicht, auf vom Regen ausgewaschenen Pfaden, in einem wahrlich genussvollen Happy End. Die wunderbare Gastfreundschaft unserer beiden liebsten Freunde, eine Champagner-Blinddegustation (Pol Roger Rosé 2000, Pol Roger Extra Cuvée de Réserve, Dom Pérignon Vintage 2000, Moët & Chandon Impérial), zweierlei Sorten Lachsbrötchen, vier 350gr-Prachtexemplare Entrecôte mit hausgemachter Kräuterbutter, Spätzli, Fenchelgemüse, ein überaus traumhaftes Lebkuchen-Armagnac-Parfait an filetierten Orangen, gefolgt von etwas Dreikönigskuchen, Espresso und reichlich Cognac, machten die draussen stattfindende Januar-Tristesse vergessen und uns gänzlich glücklich. 
Als würden all diese Köstlichkeiten noch nicht ausreichen, um uns tagelang schwärmerisch zu stimmen, wurde mir zum Schluss ein Buch in die Tasche gesteckt, das mir bereits heute früh - trotz leichtem Kater - ein breites Grinsen aufs Gesicht gezaubert hat. «Aus die Maus», von Christian Sprang und Matthias Nöllke, ist ein aberwitziges Sammelsurium unglaublich unterhaltsamer Todesanzeigen. Ein Muss für alle, die dem Ende unserer Existenz auch etwas humorvolles abgewinnen können. Wie lautet das Motto eines Fundstückes im Buch so schön: «Wer nicht stirbt – hat nie gelebt».

Ein ganz herzliches Dankeschön auf die Egg und in die Schosshalde für diesen rundum beseelenden Abend.

Sonntag, 9. Januar 2011

{Runde1}: Die 15. Art, den Regen zu beschreiben.

 

Es ist Sonntag und ich gönne mir einen Moment der Stille, wenn draussen Regen fällt.

© 2000 by Lars Henkel und Anja Struck / Runde 1

Freitag, 7. Januar 2011

Sehnsucht-Destination {1} «Malplaquet House»


Vor einigen Jahren habe ich beschlossen, dass das «Reisen» in die Vergangenheit nichts mit Eskapismus aus der Gegenwart, sondern mit einer Investition in meine Fantasie der Zukunft zu tun hat. Leider wurde - trotz ungeduldigen Wartens - die Zeitmaschine noch immer nicht erfunden. Dafür aber existieren ganz im Geheimen kaum bekannte Orte, die ein vorübergehendes Abtauchen in Welten erlauben, in denen die Uhren schon lange stehen geblieben zu sein scheinen und die den Alltag für einen Augenblick vergessen machen. Eines meiner heiligen Vorhaben für dieses Jahr ist es, solche «Zeitlöcher» akribisch aufzuspüren und zu meinen Reisezielen zu machen.

Destination Nr. 1: Das Malplaquet House in London's East End, fertiggestellt 1742 durch Thomas Andrews. Leider «not open to the public», falls jemand die heutigen Besitzer Tim Knox and Todd Longstaffe-Gowan kennen sollte, darf er / sie ungeniert Beziehungen spielen lassen und ein gutes Wort für meinen Besuch einlegen...

via The Architecturalist und Departures

Mittwoch, 5. Januar 2011

Aus den Archiven {1}


Zu Beginn des beinahe noch jungfräulichen Jahres, überkommt mich traditionell eine gewisse Odrnungswut. So habe ich beschlossen, in die wundervoll-chaotische Welt unseres Datenarchives einzutauchen, um den dort herrschenden Wildwuchs (m)einer Logik zu unterwerfen. Der bescheidene Lohn für  diese schweisstreibende Arbeit sind unverhoffte Fundstücke vergangener Kreativschübe. Was liegt näher, als vergessenes aus seinem staubigen Dämmerzustand wach zu küssen und hier für die Nachwelt zu konservieren?

Meine erste Kostprobe ist die Cover-/Booklet-Gestaltung für das Debut-Album «Oblivion» der Zürcher Gruppe «Marrakuu». Es war einer dieser seltenen Aufträge, in welchen der Kunde volle Gestaltungsfreiheit zusichert und diese bis zum gedruckten Endprodukt auch wirklich zulässt. Ein rarer Glücksmoment für den «Gebrauchsgrafiker»...