Sonntag, 5. April 2020

Supervenus vs. Supervirus



Während draussen ein Virus wütet, zieht sich der umsichtige Teil der Menschheit in die hermetische Abgeschiedenheit der eigenen vier Wände zurück. Durch soziale Distanz, in einer auf Matratze, Heimbüro, Fernsehsessel und Kühlschrank geschrumpften Welt, entwickelt der mit Desinfektionsmittel vernebelte Geist schleichend merkwürdige Blüten. Er beschäftigt sich nur mehr mit Ansteckungszahlen, Sterblichkeitsraten und der Gesundheit und Endlichkeit des eigenen Körpers. Nun sitzen wir auf unserem wertlosen Tand; dem Auswurf einer auf Wachstum und Selbstoptimierung gerichteten Gesellschaft. In Isolation ist da niemand, dem wir unsere hübsch angehäuften Statussymbole und perfektionierten Selbstauftritte präsentieren können. Alles was uns gestern noch erstrebenswert erschien, ist plötzlich nichtig und klein. Und so schafft es letztlich vielleicht die Angst vor einer unsichtbaren Naturgewalt, uns auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens zurück zu besinnen.

Frederic Doazan | Vandy Roc
«Supervenus»

Sonntag, 25. November 2018

Mon Bel Automne


Herbst, mein schöner Herbst – Du bist das erhabene Bett der Erde. 
In Karminrot und Gold gekleidet schreitest Du voran.
Deine Gärten tragen den Duft gefleckter Äpfel und Rauch.
Mit sanftem Nebel kühlst Du meine Narben des Sommers
und wehst hinfort den Klagegesang derer die ihn verehrten.

Elfenau | Bern


Sonntag, 29. April 2018

Bruegel's lebendige Welt




Das Werk Pieter Bruegel des Älteren hat es mir seit meiner zarten Jugend angetan. Ich kann auch heute noch stundenlang seine Gravuren betrachten und träume davon, einmal nur in seine bizzarre Welt einzutauchen, um mich darin zwischen den fantastischen Landschaften, Wesen und Gebäuden zu tummeln. Diesen Wunsch muss wohl auch der belgische Künstler Antoine Roegiers verspürt haben, hat er sich doch dazu entschieden, Bruegels auf Papier erstarrten Fantasien Leben einzuhauchen.

«The Seven Deadly Sins» 2011

Sonntag, 25. Juni 2017

Kabinettstück

Mit zuviel Wein und schwerem Essen, Musik und Nikotinentzug, wandere ich im Duft der Nacht dellierend durch die Räume und halte inne vor den Dingen die beglücken. Eine ganze Sammlung davon, kann wundervoller nicht sein.



Sonntag, 11. Juni 2017

Hinter der Fassade




Wer mich in meiner Kindheit fragte, was ich denn als Grosser sein möchte, bekam nicht den üblichen Piloten, Schaffner oder Geheimagenten zur Antwort. Ich wollte immer ein Apotheker werden. Wollte Kräuter mörsern, Pillen pressen und wundersame Tinkturen aus den unendlich vielen, geheimnisvoll beschrifteten Fläschchen mischen. 

Heute bin ich Grafiker. Nicht dass mich dies schmerzt – auch wenn ich mich immer noch in Tagträumen hinter einem alten Tresen stehend Arzneimittel verkaufen sehe. Nein, meine Berufswahl nenne ich ein notwendiges Übel, denn etwas anderes konnte und kann ich nicht und bin damit zufrieden.






Doch hin und wieder zwingt uns das Schicksal, die Dinge im Leben neu zu ordnen und zu benennen. Bei mir war es das Ende einer Geschäftsbeziehung. Der erzwungene Bruch im Komfortablen und Gewohnten des immer gleichen Alltages. Ich sass an meinem Arbeitsplatz und war plötzlich alleine – alleine in Mitten einer unverhofften Stille mit ungewisser Zukunft. Ich schloss die Augen und suchte mich zu orientieren, Zuversicht und einen Weg zu finden. Und ja, manchmal treten überraschend für nicht lebenstauglich gehaltene Sehnsüchte, strahlend aus dem Schatten des vermeintlich Vergessenen und verschmelzen in spielerischer Leichtigkeit mit der Realität. Vor mir entstand das Bild eines Ateliers, das gleichzeitig zur Apotheke, Werkstatt, Teestube, Opiumhöhle – zum Lesesalon, Kuriositätenkabinett, Museum und Labor wurde. In traumwandlerischer Selbstverständlichkeit, vereinte sich der Grafiker mit dem Arzneimischer hinter dem Tresen. Was bisher unmöglich erschien, wurde nun zum harmonischen Ganzen, einzig Wahren und Logischen. Wir müssen uns nur tagtäglich ehrlich und mutig mit dem umgeben, was uns seit jeher bewegt, für uns steht, uns ausmacht – so kann ein Gestalter auch zum Apotheker werden und eine Veränderung im Leben zur neuen, berauschenden Bühne.

Mein Arbeitsplatz befindet sich nun im Umbau. 
Bilder folgen...





Samstag, 10. Dezember 2016

In the cold light of morning...

Ein früher Dezembermorgen. Die letzten Traumbilder der vergangenen Nacht spuken noch im Gedächtnis, werden durch die in den dunklen Winkeln der Stadt nistende Kälte langsam vertrieben. Mein Atem verschmilzt mit dem über den Dächern, Zinnen und Kaminen ruhenden Nebel. Die Gassen erwachen widerwillig in den jungen Tag und strecken müde ihre kopfsteinplasternen Glieder. Hie und da ein tief verhüllter Passant, geräuschlos die Strasse überquerend, nur um sich wieder in den verbliebenen Schatten der Laubengänge aufzulösen. Die Festung der langgezogenen Sandsteinfassaden scheint sich der Geschäftigkeit des nahenden Tages noch grimmig zu wehren. Doch finden die Schritte durch ihre Gemäuer ins Freie, umarmt mich das milchig-kalte Winterlicht eines unbefleckten Morgens und wirft mich zurück in die Stille meiner Schläfrigkeit. Für einen Augenblick werde ich daran erinnert, weshalb ich diese Stadt so liebe.

Altstadt Bern, Münsterplattform, Dezember 2016






Sonntag, 2. Oktober 2016

Ein Lichtblick für Paris

Nein, die französische Hauptstadt hat es mir wahrlich nicht angetan. Sie ist laut, hektisch, arrogant und gibt mir keinerlei Veranlassung in ihrer mondänen Erscheinung auch nur eine Spur der vielgepriesenen Romantik zu finden. Mein – zugegeben – äusserst wählerisches Herz, findet hier keine Ruhe und Geborgenheit um liebende Gefühle zu entwickeln, um freiwillig entlang den Ufern der trüben Seine, durch stinkende Boulevards und staubige Parkanlagen traumzuwandeln. Doch bevor ich diese Stadt gänzlich in Schutt und Asche schreibe, gilt es doch zu bemerken, dass auch die dunkelsten Orte dieser Welt etwas Hoffnung für uns bereit halten. Um Zuflucht zu finden, braucht man nicht in die Katakomben zu steigen oder auf einem der verwahrlosten Friedhöfe etwas Einsamkeit zu suchen. Der «Lichtblick» hat in Paris eine Adresse: Deyrolle, Rue du Bac.




Artikel aus «THE WORLD OF INTERIORS»



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