Sonntag, 15. Mai 2011

In Britain again {4} – Shrewsbury

Wer zur Hölle verbringt seine Ferien in Shrewsbury? Während wenige von uns Shropshire mit dem poetischen Werk A. E. Housmans «A Shropshire Lad» in Verbindung bringen können, war ich schon mit der Frage überfordert, wo die Grafschaft mit der betreffenden Stadt überhaupt liegt. Eigentlich suchten wir schlicht einen geeigneten Ausgangspunkt für unseren Besuch in «Blists Hill», einem Museumsdorf das sich ausschliesslich mit dem Leben und der Arbeit während der viktorianischen Zeit befasst. Nur dank der mehrteiligen BBC-Dokumentation «Victorian Pharmacy» sind wir auf diesen Ort in the middle of nowhere gestossen und haben uns entschieden, die etwas mühsame Reise per Bahn aus dem südwestlichen Devon in die Midlands anzutreten. «Blists Hill» wie Shrewsbury haben sich als absoluter Glücksfall erwiesen. Shrewsbury, malerisch mit seinem Schloss und den alten Häuserzeilen in eine Schlaufe des River Severn gebettet, hat alles zu bieten, was ein romantisch veranlagtes anglophiles Herz begehrt: Neben historischer Architektur, einem grosszügigen Park und baumbeschatteten Spazierwegen entlang des Flusses, steht hier auch das letzte, bis 2012 noch im Dienst befindliche Lunatic Asylum aus viktorianischer Zeit; das «Shelton Hospital». Wenn auch meine Sehnsucht-Destination «Cane Hill» durch rücksichtslose Planer und Vandalen dem Erdboden gleich gemacht wurde, so war immerhin das «Shelton Hospital» die einzigartige Chance den beeindruckenden Grundriss einer Institution jener Zeit in Natura und gänzlich erhalten bewundern zu können.

 
Essen und schlafen in Shrewsbury: «Lion & Pheasant» 

Eine Zeitreise träumerisch, gedanklich oder als «Living History» auch physikalisch zu erleben, ist ein Glücksmoment. «Blists Hill Victorian Village» ist all jenen zu empfehlen, die für einen Augenblick dem Alltag entfliehen und mit allen Sinnen ein wohltuendes Bad in den Wirrnissen der Vergangenheit nehmen möchten. Das unweit von Telford gelegene Museumsdorf präsentiert einen wundervoll um die Reste historischer Fabrikanlagen gebauter, sorgfältig rekonstruierter Komplex mehrerer Gebäude und Strassen, die Kulisse für eine eindrückliche Präsentation viktorianischer Lebensumstände sind. Nachdem man im Bankhaus ein paar britische Pfund in Token und Shillings gewechselt hat, steht einem Einkaufsbummel zum Apotheker, Schlachter, Tuchwarenhändler, Drucker, Bäcker, Stuckateur und Fotografen oder einem Abstecher in die dampfgeschwängerten Hallen der Giesserei und der ortsansässigen Kohlengrube nichts mehr im Wege. Wir sind mit leuchtenden Augen, schnuppernd, schmeckend, hörend und fühlend durch eine noch nicht weit zurück liegende, versunkene Welt spaziert und waren rundum begeistert. «Blists Hill» sei gedankt – wir brauchen keine Zeitmaschine mehr.

Mehr zur BBC-Dokumentation «Victorian Pharmacy»

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