Gerüche wirken unmittelbar. Ein Hauch nahenden Schneefalls, frisch gebackenen Brotes oder im Dunkel blühenden Jasmins – Düfte wecken unsere Erinnerungen und Sehnsüchte, inspirieren oder irritieren, können uns beruhigen, berauschen, erregen aber auch abstossen. Sie überwinden mit Leichtigkeit unsere Selbstkontrolle, umgarnen oder warnen uns und spielen mit unseren Gefühlen, ob wir dies nun wollen oder nicht. Ihre Kraft und Macht hat mich immer schon fasziniert.
Die Fertigkeit einen Geruch einzufangen, zu konservieren und in ein Fläschchen zu füllen, halte ich für eine grosse Errungenschaft der Menschheit. Essenzen sind ein Schlüsselbund in das labyrinthische Pfortengefüge unseres Unterbewusstseins. Eine Entführung auf Abruf und Zeit. Sie so zu kombinieren dass sie in uns einen Bildersturm hervorrufen, ist eine wahre Kunst, die – leider – nur ganz wenige von uns beherrschen. Zu viele schlecht komponierte Parfüme, arglos auf den Markt geworfen, beleidigen täglich unsere Nasen und ohne es zu wissen, diejenigen die sie tragen. Persönlichkeit und Stil sind kein Markenentscheid, sondern ein Prozess der Selbstfindung und dieser lässt sich nicht durch das zu schnelle Ziehen der Kreditkarte beschleunigen. So sollte alles, womit wir uns umgeben, stets sorgfältig gewählt sein und unserer Lebensgeschichte und innersten Wahrnehmung entsprechen. Auch wie wir riechen.
Unverhofft begegnete ich eines Tages «Hinoki». Klein und ganz schlicht verpackt, wirkt es wie ein Mauerblümchen im goldgeprägten, barocken Reigen all der wuchtig klingenden Markenparfüme. Auf den ersten Blick ist seine Herkunft eher fragwürdig. Wurde es doch im Auftrag des Lifestyle-Magazines «Monocle» kreiert. Ein zumindest gestalterisch missratenes Kind aus dem Design-Universum des Tyler Brûlé. Die wahre Schöpferin hinter «Hinoki» ist das Label «Comme Des Garçons», respektive ihr Parfümeur Antoine Maisondieu. Dieser Umstand verspricht zumindest eine solide Qualitätsarbeit. Zu meiner grossen Freude ist «Hinoki» aber weitaus mehr. Fernab des modisch-trendigen Einheitsbreis, steht dieser Duft so angenehm ungefällig und quer in der Landschaft, dass ihn wohl die wenigsten von uns auf Anhieb lieb gewinnen können.
«Hinoki» ist einzigartig, irritierend, wundervoll. Zunächst wähne ich mich in einem Kiefernwald, das Gesicht tief in Bündeln morsch-rauchigen Holzes vergraben. Dann ziehen unvermittelt Wände hoch. Ich schreite über knarzende Dielen in ein dunkles Atelier. Hier riecht es nach Terpentin, Staub, alten Büchern und längst verglühtem Weihrauch. Ein Raum, in den man sich zurückzieht, um einsam glücklich zu sein. Zuletzt entschwebe ich durch ein Fenster in eine ferne, neblig-feuchte Mooslandschaft und verliere mich in wohltuender Stille. Ein Duft für die Nacht. Dann wenn alles Leben ruht, der Alltag schweigt und die späten Stunden durchwacht, einzig und alleine mir gehören. Geisterhaft, geheimnisvoll und auch etwas morbide, ist er mein Begleiter um in diesen zeitlosen Momenten die Fantasie schweifen zu lassen und meinen Gedanken nachzugehen. Ja – im Dunkel kann man sich auch geborgen fühlen. Wahrlich, ein Parfüm für schlaflose Nachtmenschen, die keiner Gesellschaft bedürfen um vollkommen zu sein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen